Untaugliche Mittel …

Homöopathika mit Potenz (= Verdünnungs-)Angabe

Homöopathika mit Potenz (= Verdünnungs-)Angabe

Ich bin mir ja durchaus im Klaren darüber, dass nicht alle meine Leser meine Meinung zur Scharlatanerie, insbesondere zu einer ihrer Hauptvertreterinnen – der Homöopathie – teilen. Niemandem wird es gelingen, fundamental überzeugte Homöopathen von ihren Irrtümern zu befreien. Mir ist jedoch wichtig, dass diejenigen, die unschlüssig sind und beide Methoden – die wissenschaftliche Hochschulmedizin und die Alternativmedizin – für gleichberechtigt halten, vernünftig darüber aufgeklärt werden, warum diese Einschätzung falsch ist.

Soweit, so gut.

Es gibt aber immer mal „Hardliner“, die mir per E-Mail mitteilen, dass …

… ja was eigentlich? Dass sie sich selbst zu den Hardlinern zählen? Dass sie die Ansichten der Wissenschaft im Allgemeinen und der wissenschaftlichen Medizin im Besonderen für falsch halten? Was ist der Sinn solcher Mitteilungen?

Lesen Sie selbst:
„Hallo Herr Vahle,
ich habe gerade Ihre Hasstirade auf die Homöopathie ‚Homöopathie ist Irrtum‘ gelesen. Das finde ich als interessierter Homöopathie-Laie ziemlich armselig. Klingt irgendwie nach: Ausländer raus!!! Gehn Sie mal zu einem guten Homöopathen. Der kann Ihnen sicher helfen. Und wenn Sie gemeingefährliche, geldgeile  Versager aus der „Hochschulmedizin“ suchen, schalten Sie einfach den Fernseher ein. Kommt fast jeden Tag was. Könnte auch ein paar Geschichten beisteuern.
Mit freundlichem Gruss
Ralf F.“

Eine  solche Mitteilung nenne ich ein „untaugliches Mittel“.

1. Der Schreiber gibt an, „gerade“ den Text gelesen zu haben. Das heißt, er hatte noch keine Zeit, ihn zu verinnerlichen, da hat er schon eine fertige Antwort formuliert. Ganz offenbar hat er sich mit meinem Text überhaupt nicht näher auseinandergesetzt, sondern lediglich als „Störung seiner eigenen Meinung“ empfunden, die er auf keinen Fall und um keinen Preis aufgeben will. Er gibt das ja auch gewissermaßen zu, denn er nennt meinen Text eine „Hasstirade“.

2. Der Schreiber bezeichnet sich als „interessierten Homöopathie-Laien“. Was möchte er mir mitteilen, was ich als „Profi“ nicht schon weiß? Er hält meinen Text für „armselig“. Okay, damit kann ich leben. Aber wo bleiben seine Argumente? Schließlich habe ich in meinem Text ja handfeste Fakten genannt, warum Homöopathie nicht wirken kann. Gegenargumente? Fehlanzeige!

3. Schon der nächste Satz verlässt endgültig die Ebene der sachlichen Argumentation. Der Schreiber gibt uns Einblicke in seine Denkweise: Er assoziiert die argumentative Auseinandersetzung mit einem wissenschaftlich unhaltbaren, aber von ihm bevorzugten Gedankengebäude mit einer „Ausländer-Raus-Kampagne“. Für Psychologen wäre allein die Kenntnis, dass eine derartige Assoziation überhaupt im Kopf des Schreibers existiert, sehr aufschlussreich! Weiter möchte ich mich gar nicht äußern – außer, dass ich derartige Unterstellungen („Ausländer Raus!“) mit allem Nachdruck zurückweise!

Copyright: ArTo - Fotolia4. Auch die implizite Äußerung, ich sei wohl krank, verbunden mit der Empfehlung, einen Homöopathen aufzusuchen, kann man nur mit Kopfschütteln quittieren! Der Satz ist offensichtlich als Beleidigung gedacht. – Ich bin aber über solche Äußerungen in keiner Weise verärgert – im Gegenteil: Dankbar nehme ich solche Sätze hin und verweise darauf, dass nur jemand, der wirklich keine Argumente hat – und das auch weiß! -, aus tiefster Verzweiflung darüber die Diskussionsebene wechselt und mit Verbalattacken reagiert.

5. Der Punkt mit dem „Versagen“ der „Hochschulmedizin“ durfte nun wirklich nicht fehlen. Er kommt immer! Es ist ein scheinbarer Trumpf der Homöopathen den Ärzten gegenüber, denn kein Arzt kann ja bezweifeln, dass es „Versager“ gibt. Völlig korrekt: Auch ich bezweifle nicht, dass die wissenschaftliche Hochschulmedizin nicht zu „einhundertkommanullnull“ Prozent erfolgreich ist. Aber: von allen Behandlungsmethoden hat die wissenschaftliche Hochschulmedizin mit Abstand die größten Erfolge! Die „Erfolge“ aller anderen „Methoden“ sind dramatisch kleiner und liegen ausschließlich auf Placebo-Niveau.

Was ist das für eine Strategie, wenn man – aus Frustration? aus Enttäuschung? aus Ärger? – auf das Behandlungsverfahren mit der nachweislich größten Erfolgsquote verzichtet und statt dessen ein Verfahren wählt, dass keine größere Chance bietet als bloße Untätigkeit? Mit „Verstand“, mit „Rationalität“ hat das wohl nichts zu tun!

Ich weiß nicht, welche Fernsehsender der Leserbrief-Schreiber bevorzugt. In den öffentlich-rechtlichen Sendern kommt aber nicht „fast täglich“ eine Sendung über Kunstfehler, sondern vielleicht ein- oder zweimal pro Jahr! Das ist erheblich viel seltener. Und man darf nicht den Fehler eines einzelnen Arztes der Medizin als Methode zuschreiben! Die wissenschaftliche Methode ist ja die einzige Methode, die es erlaubt, durch Studien an großen Fallzahlen Fehler zu vermeiden, die bei Einzelfallbetrachtungen praktisch unvermeidlich sind (unabhängig davon, ob es sich um „Erkenntnisfehler“ oder „Behandlungsfehler“ handelt). Keine Frage: Jeder Fehler eines Arztes, jeder Schaden, der Kranken zugefügt wird, ist einer zuviel! Aber die Erfolge sind erheblich größer! Wenn man wollte, könnte man einen ganzen Fernsehsender täglich pausenlos über die Erfolge der Medizin berichten lassen – angefangen in den kleinsten Behandlungsstuben einzelner Hausärzte bis hin zu den High-Tech-Operationssälen der Universitätskliniken! Und es würde niemals eine Wiederholung gesendet werden müssen!

Warum habe ich den Leserbrief an dieser Stelle besprochen?

Weil er typisch ist! Er ist typisch und „stereotypisch“! Derartige Briefe sind immer ohne Argumente und immer auf der persönlichen Ebene beleidigend. Es gibt bestimmte „Schlüsselwörter“ die immer wieder kommen: Das angeblich ach so große Versagen der wissenschaftlichen Hochschulmedizin, die angebliche Geldgier der Ärzte etc. pp.

Ich muss sogar eingestehen, dass dieser besprochene Brief längst nicht alle Schlüsselwörter enthält, die normalerweise noch angebracht werden. Sehr häufig ist der Verweis auf die „Pharmalobby“ und auf die angebliche Bestechlichkeit von Ärzten (wer ein Medikament der Pharmaindustrie verschreibt, muss ja gekauft sein – geht ja gar nicht anders …). Ein weiteres häufiges Schlagwort ist der „Tellerrand“: Ärzte können ja nicht über den Tellerrand schauen, sonst hätten sie die Homöopathie schon längst anerkennen müssen …

Und der Spruch „Wer heilt, hat Recht“, fehlt normalerweise auch nicht. Dabei wird nie darüber reflektiert, was „Heilung“ eigentlich bedeutet und wer „Heiler“ ist. Die meisten Krankheiten, die Homöopathen „erfolgreich“ behandeln, sind selbstheilende Erkrankungen! Die „Leistung“ der Homöopathie ist es, den Selbstheilungsvorgang nicht zu stören und anschließend den Erfolg der Natur als eigenen Erfolg auszugeben!

Wer sich mal näher mit der Homöopathie auseinandersetzen will, dem seien die Bücher:
1. Die Homöopathie-Lüge (von Christian Weymayr und Nicole Heißmann) und
2. In Sachen Homöopathie (von Norbert Aust)
empfohlen.

Beide Bücher gehen sehr gut auf die wissenschaftlich belegte Unmöglichkeit der Homöopathie ein. Weymayr und Heißmann geben zudem tiefe Einblicke in die wirtschaftlichen Verflechtungen der Homöopathie in unserer Gesellschaft. Und Aust beschreibt sehr gut und laienverständlich die komplizierte Mathematik der statistischen Auswertung von Studien. Er zeigt, warum und wie man durch Mathematik aus Studien Ergebnisse gewinnt und was man dabei falsch machen kann. Sehr interessant auch das Kapitel über die „Arzneimittelprüfungen“ – ein wesentlicher Bestandteil der homöopathischen Praxis.

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