Sie wissen es nicht?
Ich weiß es auch nicht! Und schreibt man „Spind“ nicht mit „d“ am Ende?
Der Artikel könnte jetzt zu Ende sein. Aber ich nehme an, dass die Sprecher dieses Wortes es als Kurzform für „Kernspintographie“ verwenden. Und auch das ist falsch! In dieser ebenfalls häufig gehörten Langform fehlen noch die Buchstaben „m“ und „o“!
Es heißt korrekt: „Kernspintomographie“.
Wir zerlegen das Wort mal mit Hilfe von Trennungsstrichen in seine Bausteine – die Silben. Auf engem Raum mit der Notwendigkeit zu trennen würde man „Kern-spin-tomo-graphie“ schreiben.
Warum „Kern“? Nun mit den Kernen sind die Atomkerne gemeint, in diesem Falle die Kerne des Wasserstoffatoms. Das Wasserstoffatom hat nur ein einziges Elementarteilchen im Kern, nämlich ein positiv geladenes Proton. Geschrieben heißt es H+. Das „H“ steht für „Hydrogen“ – also Wasser bildend. „Hydro“ klingt immer irgendwie nass, finden Sie nicht auch?
Warum „Spin“? Als „Spin“ bezeichnet man eine Eigenschaft, die die kleinsten Elementarteilchen – sogenannte „Quanten“ – haben. Das hat etwas mit „Quantenphysik“ zu tun und ist einigermaßen kompliziert. Also „einigermaßen“: das ist jetzt auch einigermaßen geschönt… Aber einen Spin kann man noch gut verstehen! Er wird didaktisch als Drehung des Teilchens (in diesem Fall also des Wasserstoffkerns, des Protons) um eine Mittelachse veranschaulicht. Genau so wie sich die Erde auch um eine Mittelachse dreht! Nur eben in viel kleinerem Maßstab. Also „viel kleiner“: das ist jetzt auch einigermaßen geschönt… Es ist unvorstellbar viel kleiner! Sei’s drum. Das elektrisch geladene Teilchen dreht sich um seine eigene Achse und erzeugt damit ein kleines Magnetfeld mit einem magnetischen Nord- und Südpol.
Überall, wo Wasser vorkommt, haben die Kerne einen Spin. Die Drehachsen zeigen dabei in jede erdenkliche Richtung, so wie die Stacheln eines eingerollten Igels. Setzt man das Wasser jedoch einem starken Magnetfeld aus, dann zeigen alle Spinachsen „plötzlich“ in die gleiche Richtung, so wie die Stacheln auf dem Brett des Fakirs! Also: „plötzlich“: das ist jetzt auch einigermaßen geschönt… Es ist nämlich gar nicht plötzlich! Man braucht dafür eine große Energie und ein starkes Magnetfeld! So ein richtig starkes Magnetfeld!
Und dann kommen die Untersucher her und kippen das Magnetfeld kurz mal in eine andere Richtung, indem ein zweites Magnetfeld mit anderer Richtung überlagert wird. Danach schaltet man das 2. Magnetfeld wieder ab. Was passiert? Alle Spinachsen aller Kerne werden kurz mal gedreht und wieder losgelassen. Nach dem Loslassen schwingen sie wieder zurück. Sie stoppen nicht sofort, sondern schwingen noch ein paarmal hin und her. Wir kennen das von einer Gitarre! Alle Saiten sind in ein und derselben Richtung fest gespannt. Und dann kommt kurz mal eine Hand und bringt die Saiten „durcheinander“ – nein nicht durcheinander: alle in die gleiche Richtung. Nach dem Loslassen der Hand schwingen die Saiten zurück. Auch die Saiten stoppen nicht sofort, sondern schwingen etwas nach. Wir können das hören: Die Saiten geben nämlich Schallenergie – einen Ton – ab! Die Gitarre hat gespielt!
Auch wenn die Wasserstoffkerne zurückschwingen, geben sie Energie ab. Nur, dass es sich nicht um Schall handelt, sondern um elektromagnetische Wellen. Die abgegebenen Wellen liegen mit ihrer Frequenz und ihren Wellenlängen im „Radiofrequenz“-Bereich. So wie wir den Ton der Gitarre hören können, so kann das Untersuchungsgerät die Radiofrequenzen „hören“ – besser gesagt: detektieren. Und das Gerät kann noch mehr: Es kann feststellen, woher die Radiowellen kommen und welche unterschiedlichen Radiowellen-Stärken aus unterschiedlichen Gegenden kommen.
Und dann fängt der Computer in der Maschine an zu rechnen und erstellt ein Bild! Es ist kaum zu glauben, aber das Rechenergebnis des Computers zeichnet ein Schnittbild durch den Körper! Ohne dass Blut fließt! Man kann jede beliebige Schnittebene darstellen! Moment mal: „Schneiden“ – das heißt doch im Griechischen „tomein“! Der Wortteil „tomo“ hat also etwas mit „schneiden“ zu tun! (Die Lehre vom Körperbau ist auch erst möglich geworden, als man die Körper auseinandergeschnitten hat: „Anatomie“!) – Und ein Bild zeichnen – das heißt im Griechischen „graphein“. Der Wortteil „Graph“ kommt noch in anderen Wörtern vor: Fotographie (Zeichnen mit Licht) oder Autograph (Urschrift eines Autors, eines Komponisten). In der Mathematik ist ein Graph die bildliche Darstellung der Funktionswerte einer Funktion.
Nun hätten wir alle Wortsilben erklärt. Eine Kernspintomographie ist das „Zeichnen“ eines Schnittbildes mit Hilfe von Radiowellen, die mit großem Energieaufwand von aus ihrer Spinrichtung gebrachten Wasserstoffkernen gewonnen werden. Kernspintomographie – auf englisch „Magnetic resonance tomography“ = „MRT“ – erfordert ganz viel Physik! Ganz viel Mathematik! Ganz viel Technik! Und es ist ganz wertvoll in der Diagnostik!
Und nun möchte ich, dass in Zukunft der Buchstabe „t“ nicht mehr dem „spin“ zugeordnet („Spint“) wird, sondern dem Wortstamm „tomo“. Muten Sie mir und meinen Kollegen nicht länger das Wort „Kernspint“ zu: Ich zumindest bekomme dann immer krause Ohren und denke „Was soll denn das für ein Schrank sein?“…