Wie bei jeder Erkrankung gilt auch beim Tinnitus: es sollte in jedem Fall eine Behandlung der Ursachen versucht werden.
Erhöhte Risikofaktoren für Gefäße sollten tunlichst gesenkt werden. Dazu gehört auch, dass Sie nach Möglichkeit das Rauchen aufgeben sollten.
Autoimmunerkrankungen und Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises sollten ebenfalls behandelt werden.
Einige Medikamente haben die unangenehme Nebenwirkung, dass sie Tinnitus auslösen können. Deswegen ist es wichtig, dass Sie alle Medikamente nennen, die Sie einnehmen. Wir schauen dann nach, ob Medikamente dabei sind, die Tinnitus auslösen können. Sollte das der Fall sein, dann dürfen Sie natürlich nicht so ohne weiteres diese Medikamente absetzen; Sie müssen in jedem Fall Rücksprache mit dem verordnenden Arzt nehmen! Es muß sicher sein, dass nicht das Absetzen von notwendigen Medikamenten einen größeren Schaden als Nutzen bringt. Vielleicht kann der verordnende Arzt aber die Therapie auf Medikamente umsetzen, die keinen Tinnitus auslösen.
Über Nackenmuskelverspannungen, HWS-Syndromen sowie über Kiefergelenksbelastungen haben wir schon gesprochen.
Im HNO-Fach richtet sich der Behandlungsplan nach den erhobenen Befunden.
Wenn wir eine Schwerhörigkeit festgestellt haben, dann müssen wir gemeinsam überlegen, wie wir diese Schwerhörigkeit behandeln können.
Sollte die Ursache der Schwerhörigkeit im Mittelohr liegen, dann ist in vielen Fällen eine hörverbessernde Operation möglich. Wir überlegen dann gemeinsam, ob eine solche Operation nicht durchgeführt werden sollte.
Ist jedoch die Ursache der Schwerhörigkeit operativ nicht zu beseitigen, dann müssen wir uns gemeinsam Gedanken machen, ob eine medikamentöse Therapie, z. B. mit Infusionen oder eine Hörgeräte-Versorgung sinnvoll ist.
Das Prinzip der medikamentösen Behandlung liegt darin, dass man versucht, die Stoffwechselaktivität der beteiligten Sinnes- und Nervenzellen zu verbessern. Jede lebende Zelle hat einen Stoffwechsel, aus dem sie die Lebensenergie bezieht. Wir haben ganz zu Anfang schon darüber gelesen. Eine Zelle ohne Stoffwechsel muß sterben. Tote Sinneszellen kann niemand wieder lebendig machen!
Wenn wir uns bemühen, die Stoffwechselaktivität der beteiligten Sinnes- und Nervenzellen zu verbessern, dann zielen unsere Behandlungsbemühungen natürlich nur auf jene Zellen, die zwar noch nicht abgestorben, aber in Gefahr der „Unterernährung“ sind.
Sinneszellen, die unterernährt sind, verwenden die wenigen Nährstoffe, die sie bekommen zum Überleben. Für die Funktion bleibt dann nichts mehr übrig! Sinneszellen, die zwar leben, aber nicht funktionieren, liefern keine Schallempfindung. Und dass fehlende Schallempfindung zu Tinnitus führen, Schall aber Tinnitus lindern kann, haben wir schon erfahren. Solange die Sinneszellen also noch leben, ist es natürlich viel sinnvoller, die Rettung der Zellen zu versuchen. Gerettete Zellen „liefern“ wieder Schall an – und lindern den Tinnitus! Gesunde Zellen muß man natürlich nicht und tote Zellen kann man natürlich nicht behandeln. Hieraus ersehen Sie schon, dass es nicht egal ist, wann die Therapie erfolgt; je früher unsere Bemühungen erfolgreich sind, desto mehr Sinneszellen können vor dem Zelluntergang gerettet werden!
Zur Verbesserung der Stoffwechselaktivität verabreicht man Medikamente. Diese Medikamente sind als „durchblutungsverbessernde“ Medikamente bekannt. Es ist aber nicht allein die Durchblutung, die verbessert werden muß, sondern der Effekt geht noch viel weiter. Der Blutstrom ist letztlich ja nur „Mittel zum Zweck“! Die Zellen entnehmen dem Blut die Nährstoffe und den Sauerstoff. Die Verbrennung der Nährstoffe aber liefert erst die Lebensenergie. Und diese Verbrennung findet in der Zelle selbst statt.
Woran liegt es, wenn die „Durchblutung“ oder die Zellstoffwechselaktivität herabgesetzt ist?
Einmal kann es natürlich doch am fließenden Blut selbst liegen. Der Blutstrom im Gefäß ist abhängig von der Gefäßweite, vom Blutdruck und von der Zähigkeit des Blutes („Viskosität“). Die Gefäßweite kann sich verkleinern, wenn sich die Muskelzellen in der Gefäßwandung zusammenziehen. Sie verkleinert sich aber auch durch Kalkablagerungen in der Wand, durch Verklumpung der Blutzellen oder der Blutplättchen. Die Durchblutung nimmt auch ab, wenn der Blutdruck unter einen bestimmten kritischen Wert fällt. Eine Erhöhung des Blutdruckes hinterläßt allerdings keinen kurzfristigen Effekt; eine lange bestehende Bluthochdruckkrankheit ist jedoch einer der Risikofaktoren für Gefäße, weil sie zu Verkalkungen der Gefäße führt. Wird das Blut dickflüssiger (zum Beispiel durch Wasserverluste), dann nimmt die Durchblutung auch ab.
Die Zellstoffwechselaktivität ist bei Krankheiten der Zellen geringer. Hierzu gehören zum Beispiel auch bestimmte Virusinfekte.
Nun kann man im Einzelfall gar nicht immer sagen, was denn nun die genaue Ursache der „Durchblutungsstörung“ ist. Das ist aber auch gar nicht notwendig, denn die Medikamente, die in diesen Fällen zum Einsatz kommen, bewirken in jedem Fall eine Verbesserung der Stoffwechselsituation – unabhängig von der genauen Ursache. Die meisten dieser Medikamente haben mehrere Wirkmechanismen.
Wir haben an anderer Stelle schon darauf hingewiesen, dass Schwerhörigkeiten auf Ohrgeräusche begünstigend wirken. Durch die Verbesserung des Hörvermögens kann man oftmals die Umgebungsgeräusche derart verstärken, dass der Tinnitus überlagert – „maskiert“ – wird. Dabei ist es im Prinzip unerheblich, ob das Hörvermögen operativ verbessert wird, oder Medikamente oder durch Hilfsmittel wie Hörgeräte.
Selbst bei einem normalen Hörvermögen kann eine „Schallberieselung“ eine Linderung des Tinnitus bewirken! Zu diesem Zweck ist es wichtig, überhaupt jede Form der Stille zu meiden! Wir haben schon gesehen, dass Stille Tinnitus auslösen und auch verstärken kann! Meiden Sie also die Stille! In leichteren Fällen reicht dazu leichte Hintergrundmusik aus oder CD´s mit ruhigen Umweltgeräuschen wie zum Beispiel Wasserplätschern, Landregen oder säuselnder Wind im Wald.
In schwereren Fällen von Tinnitus – ohne Hörminderung! – kann man die Schalltherapie mit kleinen Geräten durchführen, die wie Hörgeräte an den Ohren getragen werden. Es sind aber keine Hörgeräte, da eine Schwerhörigkeit ja nicht vorliegt! Es sind „Noiser“, die eine bestimmte Form von Rauschen erzeugen (sogenanntes „rosa Rauschen“). Dieses Rauschen kann den Tinnitus lindern und oftmals sogar – nach einer ausreichend langen Tragedauer – zum Verschwinden bringen.
Diese Schalltherapie ist ein wesentlicher Bestandteil der sogenannten „Tinnitus-Retraining-Therapie“ („TRT“) – ein vielversprechendes Therapieverfahren. Dieses Therapieverfahren nutzt das von Professor Jastreboff aus Baltimore (USA) entwickelte „Neurophysiologische Modell“ genial aus! Es behandelt im wesentlichen die Hörbahn – die Ohren selbst nicht. Es ist deshalb unabhängig von eventuellen Hörstörungen und unabhängig von deren Ursachen einsetzbar. Falls die TRT für Sie eine sinnvolle Behandlung darstellt, müssen wir uns ausführlich und in Ruhe darüber unterhalten. Die Beschreibung der Therapie würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen.
Wir haben weiter oben sehr ausführlich über die psychischen Komponenten des Tinnitus geschrieben. Auch in diesem Bereich gibt es Therapieansätze. Wichtig ist eine Änderung der inneren Einstellung zum Tinnitus, so wie wir das oben beschrieben haben. Die Erwartungshaltung an die Therapie darf auch nicht zu groß sein: wer erwartet, dass der Tinnitus vollständig verschwinden wird, der wird sich oft genug enttäuscht sehen. Wer aber „nur“ erwartet, dass der Tinnitus nicht mehr so beherrschend bleibt und dass das Allgemeinbefinden sich bessert, der darf mit Berechtigung auf einen Therapieerfolg hoffen! Es ist gerade so als ob die Natur uns erziehen möchte: wer bescheiden ist und „nur“ eine leichte Verbesserung der Lebensfreude erwartet, der wird mit einem größeren Erfolg belohnt, als er zu hoffen gewagt hat! Wer aber so „unverschämt“ ist, von der Natur die Heilung zu erwarten, der wird mit Unheilbarkeit „bestraft“! Es ist schon klar, dass die Natur keine Person ist, die bestraft oder belohnt! Aber dieses – zugegebenermaßen etwas drastische – Bild soll Ihnen helfen, das richtige Ziel zu wählen!
Leider wird nämlich die Erwartung an die Therapie oftmals mit zunehmender Leidensdauer immer höher. Viele Patienten, die sich in der Anfangsphase ihrer Erkrankung noch mit einer geringen Reduktion der Tinnitus-Lautstärke zufrieden gegeben hätten, setzen im Laufe des Krankheitsverlaufes ihre Erwartungen immer höher, so dass sie sich schließlich nur noch mit einer vollständigen Heilung zufrieden geben. Und dann folgt die Enttäuschung zwangsläufig! Dann läuft der Anspruch schneller davon, als dass der Erfolg ihn einholen könnte! Eine Korrektur der eigenen Zielvorstellungen kann in diesen Fällen sehr hilfreich sein!
Zur Unterstützung dieser Form von Selbstbeeinflussung („Autosuggestion“) ist oftmals auch ein autogenes Training sinnvoll. Wer sich nicht gut allein entspannen kann, kann auch an Entspannungsübungen teilnehmen (zum Beispiel an der Volkshochschule). Bei manchen Patienten hilft auch die sogenannte „progressive Muskelentspannung nach Jacobson“: man spannt nach einem bestimmten Schema erst einzelne Muskeln stark an, um sie danach plötzlich zu lockern. Durch die vorangegangene Anspannung ist die nachfolgende Lockerung viel effektiver. Für diese Übungen sind aber fachliche Anleitungen erforderlich.
Es gibt noch eine Reihe weiterer Therapien gegen Tinnitus, die an dieser Stelle nicht besprochen werden können. Im persönlichen Gespräch werden wir oder Ihr HNO-Arzt mit Ihnen gemeinsam die für Sie richtige Therapie auswählen und dann natürlich auch besprechen. Leider gibt es bis heute keine einzige Therapie, die allen Patienten einen Erfolg garantiert. Gäbe es eine solche Therapie, wäre sie sicherlich die einzige Therapie des Tinnitus. Therapievielfalt ist ein Zeichen einer fehlenden Standardtherapie. Therapievielfalt ist natürlich auch Zeichen der Uneinheitlichkeit der Erkrankung: Tinnitus ist ja nicht eine eigenständige Erkrankung, sondern Symptom der unterschiedlichsten Störungen im Ohr-Hörbahn-Gehirn-System! Unterschiedliche Erkrankungen erfordern unterschiedliche Therapien – selbst wenn die Symptome sich gleichen!