Schwindelgefühl – Ein Fall für die Hals-Nasen-Ohrenheilkunde?

Schwindelgefühl ist eine sehr unangenehme Sache! Was ist die Ursache? Wie entsteht es?

Das Gleichgewichtssystem
Das Gleichgewichtssystem des Körpers ist ein sehr wichtiges Steuerungssystem! Es ist sozusagen unser „Navi“! Es steuert unsere Bewegung durch Raum und Zeit. Es sagt dem Gehirn, welche Haltung der Körper einnimmt, ob er sich bewegt oder bewegungslos verharrt. Und nicht nur das: Das System registriert nicht nur, sondern reagiert auch! Schnellste Reaktionen auf kleinste Änderungen unseres Gleichgewichts sind gefragt, wenn wir aufrecht gehen und Stürze vermeiden wollen. Und auch für so banale Dinge wie das Greifen eines Apfels oder eines Bechers Wasser kommen wir ohne Gleichgewichtssystem nicht aus! Das Gehirn muss jederzeit genau wissen, wo sich unsere Hand befindet und ob sie auf dem richtigen Weg ist! Die Hand darf nicht schon zugreifen, wenn der Apfel noch in weiter Ferne liegt! Und sich darf nicht einfach weiter nach vorn schnellen und dabei den Becher Wasser umstoßen! Was sich so einfach anhört, ist in Wahrheit höchst kompliziert! Das Ziel ist klar und einfach. Der Weg dorthin nicht!

Wie schafft es das Gleichgewichtssystem, all diese Aufgaben zu erfüllen?

Das Gleichgewichtsorgan
Zuerst benötigt das Gleichgewichtssystem Messfühler – „Sensoren“ -, die den „Ist-Zustand“ feststellen. Fangen wir gleich beim wichtigsten Sensor an: Das Gleichgewichtsorgan (auch „Vestibularorgan“ genannt) liegt direkt neben den Innenohren tief im Inneren des Schädels in einem dicken Knochen („Felsenbein“). Und das ist der Grund, weshalb sich die HNO-Heilkunde überhaupt mit dem Gleichgewichtssinn beschäftigt! Wenn ich schreibe „Das Gleichgewichtsorgan“ ist es eigentlich schon eine Vereinfachung! Es sind funktionell bereits zwei Gleichgewichtsorgane, die allerdings strukturell – anatomisch – als eine Einheit erscheinen. Der Aufbau des Gleichgewichtsorgans ist einigermaßen kompliziert; der Name „Labyrinth“ deutet zweifelsohne darauf hin! Und dann ist das Organ auch noch doppelt vorhanden! Rechts und links! – Der erste Teil des Labyrinths ist für die sogenannten „Linearbeschleunigungen“ zuständig und der zweite Teil für die sogenannten „Winkelbeschleunigungen“. Anders ausgedrückt: Der erste Teil misst hauptsächlich die Erdanziehungskraft und der zweite Teil Drehbewegungen des Körpers.

Die Erdanziehungskraft wird in zwei kleinen Blasen gemessen, die lustige Namen haben: „Sacculus“ und „Utriculus“. In diesen kleinen Blasen befinden sich kleine wasserunlösliche Kristalle – Steinchen, sogenannte „Otolithe“. Diese kleinen Steine haben die gleiche Tendenz wie große Steine: Sie fallen immer nach unten! Und bei Beschleunigungen jedweder Art (auch die Erdanziehung – „Gravitation“ – ist eine Form von Beschleunigung) haben sie das Bestreben, möglichst in Ruhe zu verharren. Dabei zerren sie dann an kleinen Sinneshärchen und signalisieren dem Gehirn die Beschleunigung.

Hörschnecke und Bogengänge im Modell

Für die Registrierung von Drehbewegungen – Winkelbeschleunigungen – sind die sogenannten Bogengänge zuständig. Bogengänge sind praktisch kreisförmige Schläuche, die mit Flüssigkeit („Endolymphe“) gefüllt sind und paarweise aufeinander senkrecht stehen. Man kann sich das an einer Zimmerecke veranschaulichen: Ein Schlauch liegt in der einen Eckwand, der andere in der anderen Eckwand und der dritte liegt im Boden.Dreht sich der Körper um die Achse eines Bogenganges, dann bleibt die Flüssigkeit aus Trägheitsgründen zurück: Genau wie die Otolithe hat nämlich auch die Endolymphe bei Beschleunigung das Bestreben, in Ruhe zu verharren! Und dabei zerrt sie an kleinen Sinneshärchen in der „Cupula“ des Bogenganges so wie die Otolithe an kleinen Sinneshärchen in Sacculus und Utriculus zerren! Wenn das passiert, dann weiß das Gehirn über die Drehbewegung Bescheid!

Egal, um welche Achse der Körper rotiert: Mindestens ein Bogengang spricht auf die Drehbewegung an! Steht die Drehachse „schief“, dann sprechen auch mehrere Bogengänge an. Aus den Meldungen aller drei Bogengänge errechnet das Gehirn die korrekte Drehachse und die korrekte Winkelbeschleunigung.

Aber es sind auch noch viele andere Sensoren notwendig!

„Augenblicke“ und Propriozeptive Sensoren
Unsere Augen zum Beispiel. Auch mit den Augen können wir Drehbewegungen wahrnehmen! Wir sehen sie einfach! Im Gegensatz zu den Gleichgewichtsorganen selbst, die nur Beschleunigungen wahrnehmen – „detektieren“ – können, können unsere Augen auch die Geschwindigkeit sehen – wenn sie denn zum Vergleich auch etwas Unbewegtes, wie zum Beispiel eine Landschaft, sehen. Außerdem benötigen wir die Augen, um die Vertikale zu erkennen; Bäume stehen vertikal und Häuserwände auch! Straßenlaternen und Mobilfunkmasten – alle stehen sie vertikal.

Unsere Muskeln „füttern“ das Gehirn ebenfalls mit Informationen! In den Muskeln gibt es kleine Messfühler für die Muskelspannung. Wenn ein Muskel aktiv kontrahiert wird, melden die „Muskelspindeln“ das dem Gehirn. Wird ein Muskel passiv auseinandergezogen, melden die Muskelspindeln das auch! Drehe ich z. B. meinen Kopf nach rechts, dann meldet der rechte Kopfnickermuskel („Musculus sternocleidomastoideus“ – ja ich habe meine Anatomielektionen gelernt!), dass er sich aktiv kontrahieren muss und der linke Musculus sternocleidomastoideus meldet dem Gehirn, dass er sich gerade passiv auseinanderziehen lassen muss.

Sogar unsere Haut hilft mit! Beim Sitzen fühlt sie unser Körpergewicht auf der Sitzfläche und beim Stehen oder Gehen spürt sie es auf der Fußsohle. Fällt das Gefühl mal aus – wer hatte noch nie „eingeschlafene Füße“? – dann merkt man, wie unsicher man beim Stehen oder Gehen ist!

Sinnesorgane, die im Körper (Muskeln, Haut…) sitzen und die uns nicht über die Außenwelt, sondern die Körperinnenwelt informieren, nennt man auch „propriozeptive“ Sensoren.

Nervenknoten und Stellglieder
Bis jetzt haben wir nur die Sensoren erwähnt! Zum Gleichgewichtssystem gehören aber auch noch Rechenzentren, die diese große Informationsflut auswerten und ausrechnen, wie jetzt unser Körper im Raum steht oder sich bewegt. Im Hirnstamm gibt es mehrere Nervenknoten („Vestibulariskerne“), die kompliziert verschaltet sind und unermüdlich ausrechnen, wie unser Körper steht oder geht und was man tun muss, damit er nicht umfällt. Und dann muss es auch noch „Motoren“ geben – „Stellglieder“, – die Ausgleichsbewegungen durchführen! Diese „Motoren“ sind natürlich unsere Muskeln!

Alle drei Teilsysteme – Sensoren, Rechenzentrum und Motoren – bilden zusammen das Gleichgewichtssystem: Geradezu ein „Orchester mit vielen Ohren, vielen Instrumenten und einem Dirigenten“ unter den Funktionssystemen! Und das System funktioniert! Es funktioniert sogar ausgezeichnet! – Meistens wenigstens! Solange es gesund ist!

Nystagmus
Nehmen wir zum Beispiel eine einfache Drehung um unsere Körperlängsachse. Sobald wir uns drehen, würden wir, wenn die Augen unbeweglich im Kopf verankert wären, nur noch verschwommene Bilder sehen. Wir verlören sehr schnell die Orientierung. Keine Sorge – es passiert ja nicht! Unsere Bogengänge erfassen die Drehbewegung und melden sie an das Gehirn. Das Gehirn steuert sofort – sozusagen „online“! – die Augenmuskeln an. Die Augenmuskeln drehen nun die Augen mit der gleichen Drehgeschwindigkeit des Körpers in die Gegenrichtung! Schon bleibt das Bild auf der Netzhaut stabil! Okay – das kann jetzt nicht „ewig“ so weitergehen: Irgendwann erreicht die Ausgleichsbewegung der Augen einen Endpunkt. Dann werden die Augen blitzschnell in die andere, die Drehrichtung, gezogen, sodass sie wieder einen langen Weg bis zum Endpunkt haben und für eine ganze Zeit erneut „langsam“ in die Gegenrichtung bewegt werden können. Es erscheint dann natürlich nicht mehr dasselbe Bild auf der Netzhaut, aber wenigstens ist auch das neue Bild stabil! Und während die Augen „nach vorn“ springen? In dieser kurzen Zeit ist das Bild total verschwommen auf der Netzhaut! Damit es uns nicht verwirrt, rechnet das Gehirn diese kurze Zeit des Verschwommensehens einfach heraus! Unser Gehirn macht uns für Bruchteile von Sekunden „blind“, damit wir nicht stolpern! Faszinierend nicht wahr? – Übrigens: Stoppt die Drehung abrupt, dann kehrt sich die Nystagmusrichtung um! Video: Nystagmus beim Drehen und Anhalten

Eine solche Augenzitterbewegung mit einer langsamen Komponente entgegen der Drehrichtung und einer schnellen Komponente in Drehrichtung nennt man „Nystagmus“. Zeichnet man einen Nystamus auf – Augenbewegungen nach rechts werden nach oben, Augenbewegungen nach links werden nach unten dargestellt -, so erscheint eine Zackenlinie mit schrägen dreieckigen Zacken! Diese Zackenlinie ähnelt einem Sägeblatt. Je nachdem, ob ich mich nach

Rechtsnystagmus bei Rechtsdrehung

 

Linksnystagmus bei Linksdrehung

rechts oder links drehe, läuft die Sägerichtung des Sägeblattes nach links oder rechts!


 

Nystagmen kommen normalerweise nur bei Bewegungen vor. Auch bei einer linearen Bewegung kommen sie vor: Berühmt ist der sogenannte „Eisenbahn-Nystagmus“, den man bei jeder Zugfahrt bei jedem Mitreisenden, der versonnen aus dem Fenster schaut, beobachten kann. Ist unser Körper in Ruhe, gibt es keine Nystagmen – es sei denn, das Gleichgewichtssystem ist erkrankt! Ruhenystagmen sind immer ein Zeichen einer Gleichgewichtsstörung!

Störungen und die Folgen
Unser Gleichgewichtssystem mit seinen zahlreichen Messfühlern ist sehr auf Sicherheit ausgelegt. Darin liegt aber auch eine gewisse Gefahr: Alle Messergebnisse müssen untereinander plausibel sein! Mathematisch gesprochen muss unser Gleichgewichtssystem ein Gleichungssystem mit vielen Unbekannten lösen. Es hat aber auch viele Gleichungen zur Verfügung – jeder Sensor liefert eine Gleichung -, die bei der Lösung helfen. Bleiben wir bei der mathematischen Betrachtung: Das Gleichungssystem ist „überbestimmt„: Es stehen mehr Gleichungen (= Informationen) zur Verfügung als man für die Lösung benötigt. Das wiederum ist gut für die „Selbstheilung“, wie wir weiter unten noch sehen werden!

Aber: Auch, wenn das Gleichgewichtssystem gewissermaßen „luxuriös“ mit Informationen versorgt wird, sollten diese Informationen in sich widerspruchsfrei sein! Unser Gehirn erwartet das – zu Recht! Wir können nur auf eine Weise im Raum stehen – nicht auf zwei Weisen gleichzeitig! Wenn sich unser Kopf nach rechts dreht, kann er sich nicht gleichzeitig auch nach links drehen. Wenn wir uns langsam hinlegen, können wir uns nicht gleichzeitig auch schnell hinlegen!

So simpel diese Erkenntnis auch ist: Sie setzt gesunde Sensoren, gesunde Motoren und ein gesundes Rechenzentrum voraus! Es ist wie im richtigen Leben: Je mehr Einzelteile eine Maschine hat, desto eher kann auch mal etwas kaputtgehen! Ist zum Beispiel die Durchblutung in einem der beiden Gleichgewichtsorgane gestört, dann kann dieses Gleichgewichtsorgan nicht mehr richtig messen. Das Gehirn bekommt nun zwei Messwerte mitgeteilt: einen korrekten Messwert aus dem gesunden und einen falschen Messwert aus dem kranken Labyrinth. Beide Messwerte widersprechen sich! Das Gehirn ist – zunächst mal – völlig verwirrt! Genau diese Verwirrung ist es, die wir als „Schwindel“ empfinden! Je größer der Widerspruch ist, desto heftiger ist der Schwindel. Bei großen Diskrepanzen zwischen den Messwerten treten auch noch sogenannte „vegetative Symptome“ auf – dazu zählen Übelkeit, Erbrechen und Kaltschweißigkeit.

Paradebeispiel „Seekrankheit“ und „Reisekrankheit“ („Kinetose“)
Widersprüche zwischen den Messergebnissen mehrerer Sensoren kommen aber durchaus auch bei Gesunden vor. Gesundheit schützt nicht vor Schwindel! Nehmen wir als Beispiel die „Seekrankheit“. Ein Passagier, der sich unter Deck aufhält, spürt in seinen Gleichgewichtsorganen die Schiffsbewegungen – die Labyrinthe reagieren ja auf Beschleunigungen. Gleichzeitig signalisieren die Augen des Passagiers aber seine absolute Ruhe! Dieses Signal aus den Augen ist natürlich falsch! Es entsteht lediglich dadurch dass sich der Raum – das Schiff – in gleichem Maße bewegt wie der Passagier! Die Relativbewegung zwischen Schiff und Passagier ist null – und nur die hätten die Augen wahrnehmen können! Die Absolutbewegung des Passagiers ist natürlich nicht null – und genau das merken die Labyrinthe. Bei starkem Wellengang kann die Diskrepanz zwischen Augensignal und Labyrinthsignal so groß sein, dass vegetative Symptome auftreten! Bei der Reisekrankheit verhält es sich ganz ähnlich. Der Fahrer eines Wagens spürt seine eigene Bewegung und sieht sie auch. Er wird nicht reisekrank. Die Fahrgäste auf der Rückbank können die Straße als Bezugspunkt nicht so gut sehen – besonders, wenn sie während der Fahrt lesen oder spielen. Sie spüren den Widerspruch zwischen den Informationen aus den Labyrinthen und denen aus den Augen: Es kommt zur Reisekrankheit.

Zum Glück haben Schwindelgefühle normalerweise die Tendenz, im Laufe der Zeit schwächer zu werden oder sogar ganz zu verschwinden. Natürlich ist der Schwindel sofort vorbei, wenn die Schwindelursache beseitigt ist. Aber selbst, wenn die Ursache nicht zu beseitigen ist, lässt der Schwindel meistens trotzdem nach. Das ist zwar sehr schön, wirft aber Fragen auf: Warum lässt der Schwindel nach? Was passiert da?

Es liegt an unserem Rechenzentrum! Am Gehirn! Das Gehirn ist unser einziges Organ, das nicht dumm ist! Unser Gehirn ist „plastisch“. Es kann sich selbst programmieren! Es ist lernfähig! Bei den meisten Menschen jedenfalls…

„Anti-Schwindel-Training“
Stellen Sie sich folgende Situation vor: Sie haben zwei Uhren am Handgelenk. Eine Uhr zeigt 15:10 Uhr an, die andere 18:52 Uhr. Tja – jetzt sind Sie verwirrt! Vermutlich geht eine Uhr richtig und die andere falsch. Aber welche Uhr geht richtig? Sie grübeln über diese Frage nach, die Zeit verrinnt und Sie grübeln immer noch. Irgendwann stellen sich „ganz von allein“ Erkenntnisse ein: Jetzt wird es draußen hell, jetzt wird es draußen dunkel, jetzt habe ich Hunger und jetzt bin ich müde. Und wenn Sie diese Situationen mit den Uhren abgleichen, dann wissen Sie welche Uhr richtig geht und welche falsch!

„Abgleich“ ist das Zauberwort! Wenn im Gleichgewichtssystem ein Sensor ausgefallen ist oder erkrankt ist, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis dass Gehirn das herausfindet! Das Gehirn gleicht ständig alle Informationen aus allen Sensoren ab und stellt irgendwann fest, dass „alle bis auf einen“ der Sensoren ein plausibles Bild liefern. Nur ein einziger Sensor liefert Informationen, die nicht in dieses Bild passen. Damit ist der Sensor identifiziert. Anschließend ist es ein Leichtes für das Gehirn, den Istwert aus dem fehlerhaften Sensor mit dem Erwartungswert aus allen anderen Sensoren zu vergleichen und einen entsprechenden Korrekturausgleich vorzunehmen. Diesen „Selbstheilungsmechanismus“ nennt man „zentrale Kompensation„. Das Gehirn kompensiert in seiner Zentrale einen Fehler, der in der Peripherie aufgetreten ist. Genial! – Die Möglichkeit der „zentralen Kompensation“ ist nur gegeben, weil das oben erwähnte mathematische Gleichungssystem mit den vielen Unbekannten und noch mehr Gleichungen „überbestimmt“ ist: Fällt eine Gleichung (ein Sensor) aus, dann lässt sich die Lösung durch die restlichen Gleichungen immer noch eindeutig bestimmen!

Kann man den Mechanismus der zentralen Kompensation therapeutisch beeinflussen? Also beschleunigen? Damit der Schwindel schneller verschwindet?

Man kann! Die Therapiemethode heißt „Anti-Schwindel-Training“! Jawohl, man kann Schwindel wegtrainieren! Was muss man tun, um den Schwindel wegzutrainieren? Welche Bewegungen sind richtig und geeignet? Knappe Antwort: Alle Bewegungen, die zu einem Schwindelgefühl führen, sind geeignet, den Schwindel wegzutrainieren! „Leider“ ist es so: Wenn man den Schwindel im Training besiegen will, dann muss man Bewegungen ausführen, bei denen Schwindel auftritt. Ich weiß: Jeder Schwindelpatient „fährt“ eine „Vermeidungsstrategie“. Schwindelauslösende Bewegungen werden vermieden. Das ist aber nicht sinnvoll: Die zentrale Kompensation dauert dann nur um so länger! Mit anderen Worten: Man kann seinen Schwindel nicht wegtrainieren, indem man Briefmarken sammelt…

Wenn ein Gewichtheber trainiert, dann hilft es nicht weiter, wenn er Bleistifte und Radiergummis hochhebt. Es muss schon eine Hantel sein! Während des Trainings muss sich der Sportler „schlapp“ fühlen – sonst ist es kein Training. Den Trainingserfolg merkt der Sportler nicht daran, dass seine „Schlappheit“ zurückgeht, sondern daran, dass er immer schwerere Hanteln verwenden muss, damit sich dieses Gefühl der Schlappheit einstellt.

Und wenn man seinen Schwindel wegtrainieren will, dann hilft es nicht, die schwindelauslösenden Bewegungen so langsam durchzuführen, dass erst gar kein Schwindel auftritt. Nein – es muss schon Schwindel auftreten, sonst ist kein Trainingsreiz vorhanden! Der Schwindel muss nicht heftig sein – vegetative Symptome wie Übelkeit oder gar Erbrechen sind für den Übungsfortschritt nicht erforderlich. Aber es muss ein Schwindel sein! Den Trainingserfolg kann man nicht am Schwindelgefühl ablesen, das bei der Übung auftritt, sondern daran, dass die Bewegungen, die den Schwindel auslösen, immer schneller werden müssen, um überhaupt einen Schwindel hervorzurufen! Wenn für die Auslösung eines Schwindels der Trainigsreiz so heftig sein muss wie er im täglichen Leben überhaupt nicht vorkommt – dann ist man im täglichen Leben wieder schwindelfrei! Klar: Wird der Reiz wieder stärker, stellt sich auch wieder Schwindel ein! Wir kennen das alle: Fahrgeschäfte auf der Kirmes bieten gegen Geld „Trainingsreize“ an, die ziemlich sicher zum Schwindelgefühl führen! Aber auch bei den Fahrgeschäften gilt: Bei regelmäßigem Training mit derart hohen Trainingsreizen, wird das Schwindelgefühl während der Fahrt immer schwächer. Und auch Seefahrer werden nach jahrelangem Seefahren nicht mehr seekrank! Seekrankheit ist etwas für Landratten!

Und jetzt klärt sich auch das Fragezeichen aus der Überschrift auf: Schwindelgefühl ist nur dann ein Fall für die HNO-Heilkunde, wenn es ungewollt und krankhaft auftritt! Leute, die sich ein Schwindelgefühl gegen Geld einkaufen (Kirmes) benötigen weder unsere Hilfe noch unser Mitleid…